Wenn du gute Fotos machen willst, musst du auf jeden Fall mit Photoshop arbeiten. Es geht garnicht anders. Die Bedienung der Kamera ist dabei eigentlich egal. Genauso wie das Motiv und dein Wissen.
We will fix that in post. Sagt man auch gerne.
Eine umfassende Nachbearbeitung ist also immer Pflicht, oder?
Zumindest war es das lange Zeit in vielen Kreisen. Ich persönlich bin allerdings manchmal der Meinung, dass sich diese Phase langsam wieder legt.
Die Fotografie ist immer geprägt von Phasen. So hat die digitale Fotografie damals erst einmal massenhaft die analogen Kameras verbannt. Doch auch diese Welle schwappt aktuell zurück: Auch junge Fotografen interessieren sich wieder für die „alten Teile“. Es gibt also immer verschiedene Bewegungen und Trends.
Derzeit erkenne ich eine Phase, in der die Fotos eine spontanere Anmutung bekommen – zumindest in den Gruppen, in denen ich unterwegs bin. Keine statischen Aufnahmen, keine Blitze mehr – dafür fröhlich freche Farbgebungen, Wind in den Haaren und Dynamik. Damit bin ich der Meinung, dass Photoshop im Gegensatz zu vor ein paar Jahren auch nicht immer zwingend notwendig ist. Zumindest wenn man jetzt kein Business Shooting anstehen hat. Es kommt immer auf den Zweck an.
Früher habe ich meine Fotos zum Großteil in Photoshop bearbeitet. Teilweise ein bisschen Camera Raw. Dann habe ich allmählich Lightroom für mich entdeckt, dass ich viele Monate als Vorstufe zu Photoshop sah. Mittlerweile bin ich mit Lightroom so weit, dass Photoshop öfter nur noch zur Option wird. Mein Workflow verändert sich und Photoshop wird nur noch da verwendet, wo es wirklich nötig ist. Oder man eine kreative Eingabe hat, es angefordert wird oder man doch ein Foto wieder einmal bis zur absoluten Perfektion treiben will.
Aber braucht man Perfektion wirklich auf einem Foto? Oder macht man damit sogar teilweise die Spontanität und den „Geist“ des Fotos kaputt?
Ich will dir kurz die Geschichte erzählen, die mich zu diesem Eintrag bewegt hat.

Inhaltsverzeichnis
Photoshop ist nicht so dein Ding, oder?
Ich hatte zuletzt einen Austausch mit einem befreundeten Fotografen. In der frühen Sichtungsphase meiner Bilder mache ich in Lightroom ab und zu Screenshots. Diese verschicke ich dann in per Chat an befreundete Fotografen.
Als ich letzte Woche einmal wieder einen Screenshot verschickt habe, um mir von Anfang an etwas Feedback zu holen, wurde ich etwas gefragt, das mich noch nie jemand gefragt hat. Ich habe bereits einen meiner Farblooks in Lightroom angewendet. Er meinte:
Photoshop ist nicht so dein Ding, oder?
Diese Frage brachte mich tatsächlich für eine Weile aus meinem Flow heraus. Ich überlegte. Früher habe ich viel mit Photoshop gearbeitet. Ich kann die gängigen Techniken zur Hautretusche und viele andere Dinge, um wohl das Letzte aus einem Bild herauszuholen. Ich habe damals jedes Fotos ausführlich nachbearbeitet. Manchmal packt es mich auch heute noch und ich drehe hier und da einmal wieder in Photoshop durch. Aktuell reicht mir Lightroom aber in den meisten Fällen aus. Wie kommt dieser Wandel eigentlich?
Hast du schon einmal analog fotografiert?
Das habe ich ihn daraufhin gefragt. Nein hat er nicht. Ich jedoch schon. Auch wenn es ein paar Jahre zurückliegt, als ich mich intensiver damit beschäftigt habe. Ich konnte etwas wichtiges für die digitale Fotografie mitnehmen.
Wenn man eine Zeit lang ausschließlich analog fotografiert, entwickelt man einen anderes fotografisches Denken.
Man nimmt die Dinge öfter, wie sie sind.
Was meine ich damit?

Was man sich aus der analogen Denkweise mitnehmen kann
In der digitalen Fotografie ist es öfter so, dass man vor Ort statt drei guten Fotos meistens 20 „wahllose“ Bilder macht und sich dann auch die drei besten aussucht. Man kontrolliert vor Ort auf dem Display, ob das Foto passt. Oder ob man noch einmal probiert, es besser zu machen. In der analogen Fotografie nimmt man sich mehr Zeit. Man denkt mehr nach, denn jedes Foto kostet zusätzlich etwas Geld. So probiert man sofort die drei besten Bilder zu machen, die man kann.
Hat man sie gemacht, ist es vorbei. Der Moment ist abgeschlossen.
Und was ist, wenn alle drei Fotos nicht wirklich optimal geworden sind?
Dann ist es egal. Wie es kommt, kommt es. Man hat sich doch vor Ort genug Gedanken gemacht und ein gutes Motiv eingefangen. So viel kann also garnicht mehr schief gehen, oder?
Eigentlich nicht. Ein bisschen Unschärfe oder andere Makel sind völlig egal. Wenn der Bildinhalt bzw. das Motiv gut ist, überdeckt dessen Aussage kleinere Mängel. Ein schönes Beispiel dafür ist die Streetphotography.
Und genau so denke ich auch oft bei der Frage: Bearbeite ich mein Foto nach den Grundanpassungen in Lightroom noch bis zum exzess in Photoshop?
Ja klar, man kann mit Photoshop durchaus einen weiteren „Wow“-Effekt erzeugen. Man sieht sich dabei die ersten paar Sekunden neben der Stimmung auch die gelungene Retusche an oder bewundert die noch brilliantere Schärfe.
Du darfst mich nicht falsch verstehen: Ich habe da überhaupt nichts dagegen und bin immernoch regelmäßig baff, was möglich ist und wie es dadurch aussieht. Und selbst packt es mich auch oft, dass ich das Foto einmal bis zum Ultimo treiben will.
Immer öfter reichen mir jedoch die Lightroom Anpassungen. Ein spannender Look mit knackigen Farben darauf, fertig. Je nach Person ist auch nicht einmal eine Hautretusche erforderlich.
Und das erinnert mich so an die analoge Arbeitsweise: Man macht ein Foto und kann nichts mehr daran ändern. Man bekommt seine Fotos entwickelt zurück, und es ist einfach so.
Die Menschen, so wie sie sind. Der Moment so, wie er wirklich war.
Das macht für mich auch mittlerweile den Reiz aus. Es muss nicht immer ein Hochglanz Porträt sein. Meistens sind es auch die einfachen Sachen, die am Ende aber umso ehrlicher und authentischer wirken. Direkt aus dem Leben eben. Die Menschen so, wie sie sind. Der Moment so, wie er war.
Angenommen man hat ein Foto gemacht, das von Grund auf eine beeindruckende Stimmung hat, weil man ein richtig gutes Motiv eingefangen hat. Man hat die Kontraste und Farben in Lightroom angepasst, um die Stimmung noch zu verstärken. Alles sieht wunderbar aus. Wird das Foto dann wirklich viel besser, weil das Model eine etwas reinere Haut hat?

Ich selbst fotografiere gerade in einer Balance aus solchen authentischen Porträts und ab und zu einmal einem (für mich) hochpoliertem Foto. Wenn man die technischen Fähigkeiten besitzt um z.B. einmal eine richtig knackige Hautretusche zu machen, dann nur zu. Ich mache das auch noch, wo es nötig ist. Öfter tendiere ich aber zu einem Stil, der mehr eine spontane Anmutung hat. Der also etwas vom „analogen Lifestyle“ mitbringt, falls man das so sagen darf.
Wer also noch nie analog fotografiert hat, dem kann ich den Rat geben: Probiert es aus. Gerne auch einmal intensiver über 1 – 2 Monate. Danach vergleicht ihr das ganze dann wieder mit eurer digitalen Kamera und ihr werdet sehen, was ihr vom Analogen auf die moderne Fotografie übertragen könnt.
Fazit
Photoshop ist aus der heutigen Zeit natürlich nicht mehr wegzudenken. Allerdings ist es nicht immer Pflicht. Letztendlich kommt es auf den individuellen Zweck, Kunden und Geschmack an. Für aufwändige Kompositionen, Hautretuschen, Dogde&Burn Arbeiten und weiterführende Farbanpassungen ist Lightroom einfach nicht gewappnet.
Ich finde es allerdings wichtig, vor jeder Bearbeitung nachzudenken, was man überhaupt machen will und was man dafür braucht. Dabei kann man auch einfach mal ausprobieren, Photoshop wegzulassen. Dann beobachtest du, wie viel schlechter das Foto dadurch wird, oder ob es seine spontane Anmutung erst dadurch bekommt, dass es nicht bis ins letzte Detail retuschiert ist.
Für Anfänger kann es hilfreich sein, sich einfach einmal auf Lightroom zu reduzieren und erst diese Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Bevor man sich auch noch Photoshop zuwendet und nicht mehr weiß, was man eigentlich machen wollte. Und auch Profis schadet es nichts, sich auch hier einmal zur analogen Fotografie zurück zu besinnen und mit einfachsten Mitteln zu arbeiten.
Bei mir ist es einfach von der Laune abhängig. Habe ich eine Reportage fotografiert oder ein paar authentische Porträts, lasse ich Photoshop gerne weg. Ich kenne aber auch Tage, da will man einfach einmal wieder alles aus einem Foto rausholen. Egal ob Phase oder nicht: Mach das, worauf du gerade Bock hast.
Ich hoffe du konntest mir im Artikel einigermaßen folgen. Der ein oder andere wird sich dadurch hoffentlich wieder neue Gedanken machen. Man sollte sich immer wieder selbst überprüfen, welche Angewohnheiten man gerade in der Post-Produktion bzw. Fotografie hat. Dann überlegt man, wie man sich wieder verbessern könnte.
Wenn dich der Artikel zum Nachdenken angeregt hat, dann teile ihn auch mit anderen Fotografen.
Hallo Markus,
ich habe deine Gedanken zu dem Thema „digitale Nachbearbeitung“ erst heute gelesen. Für mich ist es einer der klugen Kommentare zu dem Thema. Eben nicht „nur so ist es richtig“, sondern „es kommt darauf an“. Aber besonders hat mir deine geschichtliche Einordnung gefallen. Scheinbar funktionierende (und eingefahrene) Schritte sollten nach gewisser Zeit überdacht werden dürfen. Das spiegelt sich auch in den Kommentaren wieder.
Die Photographiegemeinde scheint immer mehr Anhänger dieses Denkens zu bekommen. Focus auf den Moment und nicht auf „später machen“ setzen, wie analog. Und gleichzeitig die Möglichkeit der Unterstützung durch Nachbearbeitung nicht vergessen. Danke dir für eine eh sehr gute, ruhige und kluge Site, aber besonders für den Text oben. Ich denke hier wie du und bleibe auf deiner Spur.
Hallo Thomas,
danke für deinen umfassenden Kommentar! Freut mich, dass er auch deine Meinung widerspiegelt.
Gruß,
Markus
Was ich mag sind Photoshop und Lightroom. Was ich gar nicht mag, sind Trends. Ich habe meinen Stil und dem versuche ich treu zu bleiben, bzw. ihn weiter auszubauen. PS und LR sind dabei nur Werkzeuge, wie Hammer und Meißel eines Bildhauers. Wenn ein Model eine tolle Haut hat, dann wird nur das Nötigste gemacht: Look, Farbkorrekturen, Schärfe, bisschen Dynamik/Kontrast, und fertig. Eben das, was ein RAW-Bild out of cam braucht. Es kommt auch immer auf den Zweck an. Ist es für Facebook oder für einen zahlenden Kunden. Ich fotografiere komplett manuell mit Objektiven aus den Siebzigern, aber einer aktuellen Fuji aus der X-Serie, die zumindest optisch wie eine „Analoge“ aussieht. Ganz analog werde ich nicht mehr arbeiten. Ich kaufe mir auch kein Pferd mit Kutsche mehr, statt einem Auto. Oder ziehe in eine Höhle, statt einer Wohnung. Das ist alles nicht mein Ding. Aber ich schweife ab… ;-)
Jedenfalls: schöner Blogtext, dem ich voll und ganz zustimme.
Hallo Jens!
Ich sehe, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Ich finde es auch genial, die flexiblen modernen Kameras mit alten Objektiven zu kombinieren. So bekommt man oft sehr spannende Looks. Allerdings mag ich es auch zwischen all der „Hektik“ einmal ganz entspannt analog zu fotografieren. Ich habe die analoge Canon A1 aktuell öfter bei Shootings dabei. Wenn ich den Film dann nach einigen Monaten entwickle, hat man viele Shootings und auch Erinnerungen auf einen Film zusammengetragen. Ist oft sehr abwechslungsreich. Meistens fotografiere ich aber ebenfalls digital.
Gruß,
Markus
Ich sage zur bearbeitung ganz klar: Es kommt darauf an.
Was möchte ich mit einem Bild erreichen und was ist der Plan.
Ich habe von Analog bis stundenlanger Photoshoparbeit schon fast alles gemacht und beides hat seinen reiz.
Photshop ist natürlich keine ausrede um schlecht fotografieren zu können. Doch die Bildbearbeitung darf auch bei einem guten Foto nicht fehlen. Jedes meiner Bilder ist bearbeitet und sei es nur flüchtig in Lightroom.
Manche Bilder, wie eben Composings, kommen um eine intensive Photoshopbearbeitung nicht herum.
Jedoch verbringe ich auch deutlich weniger Zeit damit bis in die kleinste Hautpore zu retuscheiren.
Es kommt eben darauf an was man erreichen möchte und für wen das Bild ist.
Ich habe jedoch für mich gelernt, dass eine Stundenlange hautretusche für ein Bild das nur auf Facebook landet einfach verschwendete Mühe ist.
Hi Matthias!
Du triffst den Nagel auf den Kopf bzw. spiegelst meine Meinung wieder! Am Ende kommt es immer darauf an, wo und bei wem das Foto landet.
Gruß,
Markus
Ich kann deine Gedankenzüge voll und ganz nachvollziehen.
Nach Jahren der Digitalfotografie habe ich mich letztes Jahr wieder der analogen Welt zugewandt, die ich vor Jahren schon einmal für mich entdeckt habe.
Gerade der reale Moment, den man so einfangen kann, wie du so schön beschreibst, hat mich dabei so gereizt.
Nichtsdestotrotz finde ich die Bearbeitung digitaler Fotos toll. Hierfür nutze auch ich gerne einen Analoglook. Und genau das ist glaube ich auch der Grund, warum Apps wie VSCO so erfolgreich sind. Die Menschen wollen weg vom digitalen Einheitsbrei.
Ich werde mich auch auf meinem Blog hierzu in einem Post widmen.
Hi Jonas!
Genau, solche Apps wie VSCO und auch die Lightroom Presets sind aktuell ziemlich beliebt. Die ersten fangen deßhalb aber auch schon wieder an zu sagen, dass alle nur noch das „gleiche“ machen. Ich finde den Trend hin zum analogen aber wesentlich schöner als z.B. die HDR Phase, die bis vor ein paar Jahren noch aktuell war.
Gruß,
Markus