Immer wieder zeigen mir Anfänger oder ehemalige Schülerinnen ihre erste Kamera. Wow – schickes Teil. Aber: Was ist denn da vorne drauf? Meistens nämlich das günstige Kit-Zoomobjektiv. Das Problem?
Vielleicht hattest du diesen Gedanken auch schon einmal: »Mit einem Zoomobjektiv bin ich für alle Situationen bestens gerüstet. Denn es kann ja Zoomen.« – Pustekuchen! Sobald es dunkel wird oder du interessantere Bilder mit Unschärfe gestalten möchtest, stößt du an die Grenzen des Kit-Objektivs. Denn: Diese Objektive bieten oft nur eine Blende von F5.6 und sind damit alles andere als lichtstark.
Die Fotografie beginnt meines Erachtens nach erst mit einem lichtstarken Objektiv.
Ein lichtstarkes Objektiv ist in der Regel ein Objektiv mit einer Offenblende von F2.8 oder größer. Objektive mit einem Blendenwert von F1.4 oder weniger gelten als extrem lichtstarke Objektive. Solche Werte können allerdings nur Festbrennweiten erreichen.
Lichtstarke Objektive sind in der Fotografie sehr beliebt. Mit ihnen kannst du eine geringere Schärfentiefe erreichen. Zudem kann mehr Licht auf den Kamerasensor gelangen. Ich zeige dir gleich, in welchen Situationen das besonders hilfreich ist. Auch sehen wir uns in diesem Blogbeitrag alle Vor- und Nachteile von lichtstarken Objektiven an.
Inhaltsverzeichnis
Übersicht lichtstarker Objektive für den Einstieg
Bevor es los geht: Zur Übersicht möchte ich dir in der Tabelle zunächst ein paar lichtstarke Festbrennweiten für den günstigen Einstieg zeigen. Weiter unten gibt es noch die Übersicht an extrem lichtstarken Profi-Objektiven und lichtstarken Zoom-Objektiven.
1. Was bedeutet Lichtstärke bei Objektiven?
Der Begriff »Lichtstärke« bezieht sich auf die Menge an Licht, die den Kamerasensor erreichen kann. Ein lichtstarkes Objektiv lässt hier grundlegend mehr Licht durch. Das ist vorallem beim Fotografieren mit nur wenig Licht von Vorteil. Wie du gleich sehen wirst, hat eine hohe Lichstärke aber noch weitere Vorteile für die Bildgestaltung.
Die Lichtstärke ist einer der Hauptindikatoren dafür, worin sich Premium Zoom-Objektive von den günstigen Kit-Objektiven unterscheiden.
Die Lichtstärke der Objektive wird durch die maximale Blendenöffnung angegeben. Die Blende ist die Größe der Objektivöffnung, durch die das Licht in die Kamera fällt. Die Blende wird in Blendenwerten gemessen.
Je lichtstärker das Objektiv ist, desto niedriger Blendenzahl. Ein lichtstarkes Objektiv mit einer maximalen Blendenöffnung von beispielsweise F1.4 lässt mehr Licht in die Kamera als ein lichtschwaches Objektiv mit einer maximalen Blendenöffnung von F4.0.
Wie findest du heraus, wie lichtstark dein Objektiv ist? Diese Zahlen findest du immer schon direkt im Produktnamen oder aber auf dem Objektiv-Gehäuse aufgedruckt.
2. So profitieren ISO- und Verschlusszeit-Einstellung von mehr Lichtstärke
Wie bereits angesprochen steht durch ein Objektiv mit größerer Offenblende mehr Licht zur Verfügung. Im Belichtungsdreieck kannst du durch diesen Bonus an Licht dann viele Vorteile nutzen. Denn du kannst das Plus an Licht durch ISO- und Verschlusszeit-Einstellung wieder kompensieren. Und damit Fotos machen, die vorher nicht möglich gewesen wären.
Eine größere Offenblende bringt zwei Vorteile:
- Mit einem lichtstarken Objektiv kannst du eine niedrigere ISO-Einstellung verwenden. Das sorgt in Situationen mit wenig Licht für sauberer Bilder mit weniger Rauschen.
- Ein lichtstarkes Objektiv ermöglicht es dir, eine kürzere Verschlusszeit zu verwenden. Dadurch kannst du Action-Motive einfrieren oder aber deine Eigenbewegung kompensieren. Das vermeidet verwackelte oder verwischte Aufnahmen.
Generell sind lichtstarke Objektive also ideal für Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen und zum Einfrieren von Motiven in Bewegung. Dadurch eröffnen sich dir mit einem lichtstarken Objektiv wesentlich mehr Aufnahmemöglichkeiten als mit einer schlechteren Blende von z.B. nur F5.6.
Was bringt es wirklich: Umrechnung der Lichtstärke in ISO- und Verschlusszeiten
Okay, du hast es verstanden – lichtstarke Objektive sorgen für mehr Licht. Doch um wie viele Stufen (Drittelblenden) kann ein lichtstarkes Objektiv durch die weitere Blendenöffnung letztendlich herausholen?
Diese Tabellen zeigen dir zwei Szenarien bei wenig Licht. Die erste verdeutlicht, wie du mit besserer Lichtstärke eine Verkürzung der Verschlusszeit erreichst:
Blendenwert | Verschlusszeit | ISO |
F4.0 | 1/13s | 400 |
F2.8 | 1/25s | 400 |
F1.4 | 1/100s | 400 |
Gegenüber einem F4.0 Objektiv kannst du die Belichtungszeit mit einem F1.4 Objektiv um 9 Drittelstufen kürzer einstellen – ohne Sensorrauschen durch höheren ISO zu riskieren. Konkret bedeutet das: Mit dem F1.4 Objektiv könntest du in diesem Beispiel noch aus der Hand fotografieren, mit einer F4.0 Zoom-Rumpel nicht mehr (zumindest wenn diese keinen Bildstabilisator besitzt).
In der nächsten Tabelle zeige ich das andere Spiel: Und zwar wie viele ISO-Stufen und dementsprechend Sensorrauschen du dir mit einem lichtstarken Objektiv einsparst:
Blendenwert | Verschlusszeit | ISO |
F4.0 | 1/100s | 3200 |
F2.8 | 1/100s | 1600 |
F1.4 | 1/100s | 400 |
Auf derselben Verschlusszeit vermeidest du bei wenig Licht 9 Drittelstufen an höheren ISO. Du kannst bei selber Verschlusszeit mit dem F1.4 Objektiv also noch auf moderatem ISO 400 fotografieren. Beim F4.0 Objektiv wird auf ISO 3200 dagegen schon deutliches Rauschen sichtbar.
Durch diese Erkenntnisse kannst du schon erahnen, für welche Bereiche die Verwendung von lichtstarken Objektiven tatsächlich Sinn macht.
3. In welchem Bereich solltest du lichtstarke Objektive verwenden?
Welche Bereiche sind es denn nun, bei denen du kurze Verschlusszeiten, geringen ISO-Wert oder einfach nur einen unscharfen Hintergrund möchtest?
- Porträtfotografie: Nutze Objektive mit F2.8 oder weniger, um den Hintergrund z.B. von Portraitfotos unscharf zu gestalten. So kannst du dein Motiv vom Hintergrund isolieren bzw. freistellen.
- Low-Light-Fotografie: Immer wenn es dunkel ist, spricht man von der Low-Light-Fotografie. Z.B. in dunklen Räumen oder bei Nacht. Es sind mitunter Szenarien, wo ein Fotografieren mit zusätzlichem Blitz nicht möglich oder nicht gewollt ist. Besonders in der Available Ligh Fotografie passt du dich immer voll den bestehenden Lichtverhältnissen an.
- Hochzeitsfotografie: Hier bist du in der Regel in dunklen Kirchen unterwegs, vom abendlichen Tanz mal ganz zu schweigen. Dabei sind alle Motive während der Reportage in Bewegung. Gilt natürlich auch für andere Reportage-Genres.
- Wildtier- und Sportfotografie: Diese Motive werden immer mit sehr langen Brennweiten im Telebereich fotografiert. Das bedeutet, dass (ohne Stativ) auch eine kurze Verschlusszeit benötigt wird, um die Eigenbewegung zu kompensieren. Und die Motive bewegen sich auch schnell. Daher wird die Lichtstärke hier in eine möglichst kurze Verschlusszeit umgewandelt. Wenn dann noch schlechte Lichtverhältnisse (oder ein Indoor-Sportevent) dazu kommen, wirst du für jede zusätzliche Blende an Lichtstärke dankbar sein.
4. Fazit: Die Vor- und Nachteile von lichtstarken Fotoobjektiven
Bevor ich dir entsprechende Objektive empfehle, möchte ich noch einmal kurz alle Vor- und Nachteile von lichtstarken Objektiven übersichtlich auflisten.
Vorteile von lichtstarken Objektiven:
- Geringe Schärfentiefe: Durch die geringe Schärfentiefe auf kleiner Blendenzahl kannst du Vorder- und Hintergrund unscharf gestalten. Das kann hilfreich sein, um dein Motiv vom Hintergrund zu isolieren und Bilder mit mehr Tiefe zu machen.
- Niedriger ISO-Wert: Ein lichtstarkes Fotoobjektiv ist bei schlechten Lichtverhältnissen leistungsfähiger. Die höhere Lichtmenge ermöglicht es dir, niedrigere ISO-Einstellungen zu verwenden. Das erzeugt weniger Rauschen in deinen Bildern.
- Kürzere Verschlusszeiten: Mit einem lichtstarken Objektiv kannst du kürzere Verschlusszeiten erreichen. Das ist hilfreich, wenn du Motive in Bewegung oder auch mit Teleobjektiven fotografierst.
- Bessere Bildqualität: Lichtstarke Objektive erzeugen gegenüber lichtschwachen Objektiven auf derselben Blende schärfere Bilder. Denn durch das Abblenden steigt die abgebildete Schärfe gegenüber Offenblende bereits an. Das hilft meist auch gegen chromatische Aberrationen (Farbsäume an Kontrastkanten). Außerdem haben lichtstarke Objektive oft einen größeren Durchmesser. Das kann dazu beitragen, die Vignettierung (Verdunkelung der Bildränder) zu verringern.
- Fokus bei Dunkelheit: Spiegellose Systemkameras nutzen beim Kontrastautofokus das Sensorbild. Mit einem helleren Livebild kann die Kamera daher einfacher fokussieren.
Nachteile von lichtstarken Objektiven
- Schwerer und Größer: Für mehr Lichtstarke müssen die Objektive sind in der Regel auch größer als ihre lichtschwächeren Gegenstücke konstruiert werden. Z.B. ist ein 35mm 1.4 immer größer und schwerer als ein 35mm 1.8 Objektiv. Lichtschwächere Objektive sind daher meistens einfacher zu transportieren.
- Teurer: Lichtstarke Objektive sind in der Regel teurer als lichtschwächere Objektive.
- Weniger oder kein Zoom: Extrem lichtstarke Objektive sind in der Regel Festbrennweiten. Das heißt, sie bieten nicht die Flexibilität von Zoom-Objektiven. Und selbst lichtstarke F2.8 Zoom-Objektive bieten gegenüber F4.0 Zooms meist nur einen kleineren Brennweitebereich zum Zoomen. Verbreitet sind z.B. 24-70mm bei F2.8, weitere 24-105mm bei F4.0.
- Oft zu viel Leistung trotz Gewicht: In manchen Situationen haben kleine Blendenwerte zu wenig Schärfentiefe. So z.B. beim Hochzeitstanz bei wenig Licht, wo aber dennoch zwei Personen scharf abgebildet werden sollten. Letztendlich muss man dann wie auch in vielen anderen Situationen abblenden. Die Leistung vom lichtstarken Objektiv nutzt du also nicht immer, das Gewicht der größeren 1.4er Linse schleppst du aber trotzdem herum.
- Kein Bildstabilisator: Du wirst keine F1.4 Festbrennweite mit Bildstabilisator finden. Wie du siehst, braucht man das auch nicht. Dennoch wäre ein Bildstabilisator zum Filmen hin und wieder praktisch.
Insgesamt sind lichtstarke Objektive eine hervorragende Wahl für dich, wenn du nicht nur bei strahlendem Sonnenschein hochwertige Fotos machen willst. Egal, ob du sich schnell bewegende Motive einfängst oder bei schlechten Lichtverhältnissen fotografierst. Oder einfach nur eine möglichst geringe Schärfentiefe erzielen möchtest: Lichtstarke Fotoobjektive haben viele Vorteile, die dir helfen können, deine kreative Vision zu verwirklichen und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
Dennoch solltest du immer genau abwägen, ob es für deinen Einsatz die extrem lichtstarke F1.4er Festbrennweite sein muss. Oder ob auch die leichtere F1.8 Festbrennweite reicht. Ansonsten schleppst du unnötiges Gewicht mit – und das für eine Leistung von geringer Tiefenschärfe oder Bildschärfe, die du vielleicht gar nicht brauchst.
5. Alternativen zu mehr Lichtstärke
Mehr Lichtstärke ist nur durch mehr Lichtstärke zu ersetzen. Oder so ähnlich. Aber Halt! Ein paar Möglichkeiten fallen mir da schon ein. Denn wie gesagt gehen lichtstarke Festbrennweiten auch mit ein paar Nachteilen einher. Stattdessen erweist sich z.B. ein F2.8 oder gar F4.0 Zoom-Objektiv in manchen Situationen als praktischer.
Alternativen zu mehr Lichtstärke:
- Mehr Licht: Wenn es irgendwie möglich ist, kannst du selbst für mehr Licht sorgen. Sobald es bei der Reportage zu dunkel wird, nutzt du deinen Aufsteckblitz. Wenn es in einer Örtlichkeit zu dunkel ist, kannst du ein Dauerlicht aufstellen. In manchen Räumen kann sogar das normale Deckenlicht helfen (sofern dieses nicht allzu gelb strahlt). Dein Outdoor Fotoshooting am Abend kannst du vielleicht eine Stunde vorverlegen und mehr Tageslicht nutzen.
- Stativ nutzen: Du kannst auch mehr Licht erhalten, wenn du den Sensor länger Licht sammeln lässt. Nutze für Landschaftsfotos in der Dämmerung einfach ein Stativ.
- Besserer Sensor: Wenn du bis auf den den höheren ISO-Wert mit deinem Zoom-Objektiv wunschlos glücklich bist, solltest du eine rauschärmere Kamera kaufen. Ein Vollformatsensor oder etwas weniger Auflösung können dabei Wunder wirken.
- Bildstabilisator: Selbst das Kit-Objektiv hat in der Regel einen Bildstabilisator. Dadurch können auch mit längeren Verschlusszeiten verwacklungsfreie Aufnahmen gelingen. Doch Achtung: Dieser hilft nur gegen deine eigenen zittrigen Hände – nicht aber für das eigentliche Sportmotiv.
- Speedbooster: Wenn du ein altes analoges Objektiv (Kleinbild) auf einer APS-C Kamera adaptieren willst, kannst du auch einen Speedbooster nutzen. Dieser bündelt das Licht des großen Objektivs auf den kleineren Sensor und sorgt für mehr Lichtstärke.
6. Überblick lichtstarker Objektive für Canon, Nikon, Sony und Fujifilm
Nun erhältst du einen Überblick darüber, welche Objektive es für deine Kamera überhaupt gibt. Dafür möchte ich dir erst noch zeigen, welcher Brennweitenbereich sich typischerweise für welchen Einsatzzweck anbietet. Diese Tabelle gilt auch für Zoomobjektive:
Genre | Brennweite |
Landschaft | 14mm – 35mm |
Portrait | 50mm – 135mm |
Reisen | 24-70mm (Zoom) |
Hochzeit | 35mm – 135mm |
Makro | 60mm, 90mm, 100mm (Festbrennweite) |
Immer-Drauf | 35mm Festbrennweite 24-70mm (Zoom) |
Wildlife / Tiere / Sport | ab 70-200mm (Zoom) |
Günstige lichtstarke Festbrennweiten
Liste von lichtstarken Premium Festbrennweiten
Liste von lichtstarken Zoomobjektiven
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