Automatisch großartige Fotos schießen, nur weil die Location atemberaubend ist? Das wäre natürlich super. Aber die Realität sieht leider anders aus. Selbst an den spektakulärsten Orten dieser Welt kannst du enttäuschende Fotos machen, wenn du nicht die richtigen Schritte unternimmst.
In diesem Gastbeitrag erfährst du von mir – Benjamin – eine Reihe von vielfältigen Tipps, um das Beste aus deiner Shootinglocation bzw. aus der Gesamtsituation deines Shootings herauszuholen.
Diese Tricks und Vorgehensweisen möchte ich dir anhand eines Fotoshootings zeigen, das ich auf der griechischen Insel Korfu in wirklich beeindruckender Kulisse durchgeführt habe.
Dabei gibt es die folgende Besonderheit an diesem Blogartikel: Normalerweise setzt man sich hin, überlegt sich ein Thema und teilt dann die besten 5 Tipps mit. In diesem Artikel ist das ganz anders, denn ich habe zuerst das Fotoshooting durchgeführt ohne den Hintergedanken an einen Blogartikel. So konnte ich mich wirklich voll aufs Shooting fokussieren. Erst hinterher kam mir dann die Idee, dazu einen Blogartikel zu verfassen.
Hierzu habe ich alle Fotos und das gesamte Behind-The-Scenes-Material meiner GoPro analysiert und mir dabei die Frage gestellt »Was habe ich hier wie und warum gemacht und wie kann ich einen allgemeingültigen Tipp daraus ableiten?« – das Ergebnis liest du hier.
Eins noch vorab: diese Tipps sind vielleicht nicht das, was du woanders schon häufiger gehört hast und möglicherweise denkst du daher erst einmal, du kannst mit so einem abstrakt klingenden Tipp nicht viel anfangen.
Doch eins ist klar, je konkreter ein Tipp formuliert ist, desto spezieller bezieht er sich auf eine gewisse Situation und ist daher möglicherweise gar nicht so häufig anwendbar. Umgekehrt ist ein Tipp, wenn er unkonkreter klingt, viel flexibler umsetzbar.
Okay, fangen wir also an mit einem Tipp zum Thema Posing.
Inhaltsverzeichnis
1. Posingtipp: Kontinuierliche Veränderungen
Ein entscheidender Aspekt beim Posing sind kontinuierliche kleinere und größere Veränderungen. Denn egal wie gut eine Pose sein mag, du benötigst ja eine Vielzahl von Bildvarianten, um hinterher eine ordentliche Bildserie im Kasten zu haben. Hierzu gehören verschiedene Posen, unterschiedliche Aufnahmewinkel, Bildschnitte und Lichtsetzungen. Tust du das nicht, werden deine Bilder immer gleich und wenig abwechslungsreich.
Beginne einfach immer mit einer Pose bzw. einer bestimmten Situation von der du weißt, dass sie funktioniert. Von hier aus kannst du die Haltung dann stetig weiterentwickeln. Durch subtile Anpassungen wie Veränderungen der Perspektive, des Bildschnitts oder auch der Blickrichtung (und der Kombination aus allen diesen) lassen sich viele Bildvarianten erzielen. Experimentiere mit geschlossenen oder offenen Augen, lass das Model die Hand dazu- oder wegnehmen, spiele mit dem Blick in die Kamera oder in eine andere Richtung.
Wichtig ist, dass du während des gesamten Shootings aufmerksam bleibst und Verbesserungen vornimmst. Denn kein Set beginnt von Anfang an perfekt. Es sind diese ständigen Anpassungen und Verfeinerungen, die letztendlich zu ausgereiften Fotos führen.
In diesem Zusammenhang solltest du natürlich auch auf das Licht achten, denn das kann den gesamten Charakter eines Fotos verändern. Beachte aber, dass ein und dieselbe Pose in dem einen Licht – zum Beispiel in einem Low-Key-Setting – sehr gut wirken kann. Während sie in einem anderen gut ausgeleuchteten Szenario aber gegebenenfalls ganz unvorteilhaft aussieht. Deshalb sage ich immer, dass Posing und Lichtsetzung meistens untrennbar miteinander verknüpft sind. Sie lassen nicht vollständig getrennt betrachten.
Viele kleine Verbesserungen, die das Licht in Kombination mit dem Posing betreffen, kannst du erreichen, indem dein Model den Kopf leicht dreht oder kippt. Oder das Kinn anhebt oder absenkt. Währenddessen beobachtest du, wie die Schatten am Wangenknochen fallen, wie Catchlights in den Augen auftauchen und wie das Gesicht allgemein ausgeleuchtet ist. Fotografiere dann in den Momenten, in denen es am besten aussieht.
2. Die Stärken der aktuellen Shootingsituation optimal nutzen
Ein oft gehörter Ratschlag lautet ganz allgemein, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren, um erfolgreich zu sein. Aber was ist, wenn die wirklichen Stärken in der aktuellen Shootingsituation nicht nur bei dir liegen? Klingt ungewöhnlich, nicht wahr? Doch genau das meine ich: Nutze nicht nur deine eigenen Stärken, sondern analysiere auch, wo die Stärken der aktuellen Gegebenheiten liegen.
Während des Shootings auf Korfu war mir klar, dass die Stärken der Situation selbst eine ganz entscheidende Rolle spielten. Diese drei Hauptmerkmale waren mir als Besonderheiten in diesem Shooting klar:
- Die beeindruckenden Locations: Korfu bietet eine Vielzahl toller Orte, und speziell dort wo wir fotografiert haben (siehe in die Videobeschreibung des YouTube-Videos am Ende des Beitrags) waren Gebäude und Locations vorhanden, die nicht nur als einfacher Hintergrund dienten. Vielmehr wirkte durch sie das Gesamtbild sehr eindrucksvoll. Deswegen habe für meine Verhältnisse sehr viel Umgebung in die Fotos »hineingepackt«, also weitere Bildschnitte mit »mehr drauf« gewählt. Dafür habe ich teils sogar das 16-35mm Weitwinkelobjektiv genutzt (das mache ich sonst niemals bei Portraits).
- Das atemberaubende Kleid des Models: Das war natürlich ein Blickfang, der die Aufmerksamkeit des Bildbetrachters auf sich zog (und auch die der anwesenden Passanten :D). Gleichzeitig erweiterte es die kreativen Möglichkeiten enorm. Um dies visuell noch mehr in den Vordergrund zu rücken habe ich hier häufiger Bilder in Bewegung gemacht (was ich sonst eher nur bei Paarshootings mache). Dadurch, dass ich sie hin- und herlaufen und viel am/mit dem Stoff herumspielen ließ, betonte ich den Effekt des wallenden Kleides.
- Die Shootingerfahrung des Models: Die Tatsache, dass das Model bereits über Posingkenntnisse verfügte, war natürlich ein großer Vorteil. Dadurch konnte sie sich vor der Kamera schon sehr gut selbstständig ohne viele Anweisungen bewegen. Deshalb habe ich sie zu Beginn eines neuen Sets mal mehr „machen lassen“, mich von dem was sie tat inspirieren lassen. Ihre Ideen und ihr Posing habe ich anschließend aufgenommen, noch leicht korrigiert und verfeinert. In den meisten Portraitshootings gebe ich sonst schon viele Posingideen selbst vor, weil ich immer mit absoluten Anfängern vor der Kamera arbeite. Dass ich das hier nicht musste, half mir dabei, mich beispielsweise auf das Fotografieren mit dem besagten Weitwinkel zu konzentrieren und die gewünschten Aufnahmen zu erzielen.
Durch die genannten Punkte sind die Fotos nicht nur besser geworden, sondern definitiv auch anders, als sie sonst bei mir werden. Damit gelang mir eine echte Bereicherung für mein Portfolio, statt einfach nur ein weiteres Shooting im Kalender verbuchen zu können.
Schau dir also die Umstände deiner spezifischen Situation an, in der du fotografierst – analysiere die vorliegenden Stärken und nutze diese!
3. Interagieren mit der Umgebung
Bestimmt hast du auch schon Fotos gesehen, in denen das Model etwas deplatziert gewirkt hat und das Gesamtbild dadurch einfach nicht ganz stimmig war. Das kann daran liegen, dass einfach »hingestellt und abgeknipst« wurde.
Um diesen Fehler nicht zu machen, lass dein Model also einen direkten Bezug zur Umgebung aufbauen.
Stell dir zum Beispiel die Frage: »Wie kann ich die Pose an den Hintergrund anpassen oder wie kann mein Model mehr mit der Umgebung connecten/interagieren?«
Hier gibt es für mich im Wesentlichen vier Möglichkeiten diesen Tipp umzusetzen:
- Am einfachsten umzusetzen: Dein Model kann die Umgebung anfassen, sich anlehnen, aufstützen, oder sonst irgendwie Kontakt aufbauen, statt einfach nur »rumzustehen«. In meinem Beispiel konnte die Verbindung auch durch das Kleid hergestellt werden, das im Beispielbild prägnant auf den Treppen lag.
- Durch Framing: Nutze den Hintergrund (oder teils auch Vordergrund) als Rahmen für dein Foto, hierfür eignen sich Fenster, Türen, Unterführungen, Säulen, Bäume etc. Sehr viele Objekte können ein gutes Framing bewirken, wenn du sie passend in deinem Foto einbaust.
- Führende Linien nutzen: Dadurch kannst du den Bildbetrachter richtig ins Foto hineinziehen, zum Beispiel durch Geländer oder Treppen. Auch durch Gehwege und Straßen können coole Führende Linien und auch Rahmen entstehen. Oder lass dein Model durchs Posing eine in der Umgebung vorkommende Form wiederholen bzw. diese fortführen. Beispielsweise mit der Haltung einen schiefen Baum im Hintergrund imitieren oder sich an ein Objekt anschmiegen.
- Farblichen Bezug herstellen: Ein Bezug zur Location kann aber nicht nur auf der physischen Ebene sein, sondern zum Beispiel auch durch ähnliche, sich wiederholende Farben verstärkt werden. Wenn sich die Outfitfarbe wiederfindet in der Umgebung oder die Strukturen von Kleidung und Hintergrund ähnlich sind, wirkt dein Foto gleich ganz anders.
Wenn du mehr visuelle Unterstützung zu meinen Erklärungen hier haben möchtest und dich direkte Behind-The-Scenes-Einblicke interessieren (von der Gopro auf meiner Kamera), schau dir gerne das YouTube-Video an, das ich hierzu aufgenommen habe:
Fazit und Empfehlung
Jetzt hast du einige wirklich mächtige und dazu allgemeingültige Tipps erfahren. Auch wenn sie unspektakulär klingen mögen – beherzige sie und du wirst zunehmend besser fotografieren! Natürlich wirst du nicht immer alle Tipps auf einmal in einem einzigen Bild anwenden. Auch wenn du einmal gute Fotos von anderen Fotografen analysierst (noch ein guter Tipp um zu lernen!) wirst du natürlich nicht in jedem Bild alle Tipps wiederfinden können.
Manche Fotos anderer Fotografen wirken tatsächlich auch einfach »nur deshalb« so gut, weil es eben das Motiv ist, das es rausreißt. Schnell kann Frust aufkommen, wenn du das Gefühl hast, das Level deshalb nicht zu erreichen. Fernab vom Motiv gibt es eben noch mehr Dinge, die du beeinflussen kannst – nutze das zu deinem Vorteil!
Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg bei der Umsetzung der Tipps. Genieße den Prozess, wie du stetig Fortschritte in der Portraitfotografie machst!
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Und wenn du noch Fragen hast, zögere nicht, mir eine Nachricht auf Instagram und co. zu schreiben – ich freue mich immer auf den Austausch mit der Community :) Hier findest du mich:
Über den Autor Benjamin Wohlert
Benjamin Wohlert ist Fotograf, Videograf und Buchautor. Der 1994 geborene Autodidakt legt besonderen Wert darauf, beim Fotoshooting eine vertrauensvolle Stimmung zu kreieren. Dies ist besonders wichtig, da er fast ausschließlich Menschen ohne jegliche Erfahrung vor der Kamera fotografiert und ihnen so ermöglicht, sich vor seiner Kamera zu öffnen und geborgen zu fühlen.
Sein Wissen teilt er quer über alle Plattformen mit seinen Followern, besonders gerne in Livestreams und Offlineformaten. Hier findest du sein Buch »Fotografieren im Flow«* – dieses beinhaltet viele Tipps, du die immer wieder kostenfrei anwenden kannst.
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