Einfach hinstellen und auf Augenhöhe los knipsen: Das könnte man auch mit dem klassischen “Touristen” vergleichen. Ohne sich viele Gedanken über die Perspektive zu machen einmal draufgehalten – fertig. Doch so einfach ist es leider nicht – zumindest nicht wenn das Endergebnis für sich sprechen soll.
In diesem Beitrag erhältst du 4 einfache Tricks, um die besten Fotoperspektiven für geniale Portraits einzunehmen.
Dieses Thema steht dabei natürlich nicht für sich, sondern ist eng mit dem Beitrag Fotografie Bildkomposition: 7 simple Regeln für geniale Portrait Bildgestaltung verknüpft, den du dir daher ebenfalls ansehen solltest.
Um sich dem Thema einfach und schnell zu nähern, habe ich vier Regeln aufgestellt. Anschließend fasse ich die wichtigsten Fotografie Perspektiven noch einmal zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Über Fotografie Perspektiven
In der Fotografie hast du die Macht. Die Macht, eine Perspektive bzw. Blickwinkel einzunehmen, der dein Foto auf Anhieb schöner macht, das Model vorteilhafter abbildet oder einfach nur der Bildgestaltung dient.
Eine Perspektive zu wählen ist die Fähigkeit, dich frei im Raum zu positionieren und dem Bildbetrachter später genau den Eindruck geben zu können, den du beim Fotografieren vor Ort wahrgenommen hast.
Die Möglichkeiten vom fotografischen Blickwinkel sind theoretisch endlos. Doch gerade durch so viele Freiheiten ist man dennoch oft ratlos. Diese Dinge beeinflussen die Wahl deiner Bildperspektive:
- Örtliche Begebenheiten der Fotografie Location
- Individuelle Anforderungen des Models
- Die gewünschte Anmutung / Bildstimmung
Im Grunde ist das Ziel der Perspektive sowohl das Model und den Ort gut aussehen zu lassen. Dabei passt du dich den örtlichen Gegebenheiten bestmöglich an. Probiere mit einem durchdachten Bildausschnitt schöne Dinge zu zeigen und störende Elemente auszublenden. Wenn alles im Einklang ist, kann dadurch eine gute Stimmung im Bild entstehen oder Emotionen geweckt werden.
Dafür musst du die Kamera in der Höhe heben oder senken, im Winkel drehen oder deine eigene Position beim Fotografieren vor Ort verändern.
Regel Nr. 1: Welche Bildwirkung willst du erreichen?
Froschperspektive, Vogelperspektive oder Normalperspektive fotografieren??
Zunächst hast du die Möglichkeit zu bestimmen, welchen Überblick der Betrachter später im Bild haben soll.
Fühlt er sich neben dem Model klein und unwichtig? Oder soll er den kompletten Überblick über die Szene haben?
Das legt fest, ob du dich in der sogenannten Froschperspektive oder Vogelperspektive aufhältst. Bei Erstgenanntem befindet sich die Kamera nur knapp über dem Boden und stellt das Model somit sehr groß und erhaben dar. Meistens reicht für diese Wirkung allerdings auch schon ein sehr leichter Winkel von unten, da sonst unter Umständen die Nasenlöcher prominenter zur Geltung kommen, als dir lieb ist.
Bei der Vogelperspektive hingegen gewährst du dem Betrachter, dass er “mächtiger” ist, da er die komplette Szene einsehen kann. Beim Betrachten kann man so die Szene später komplett einsehen und Überblicken. Das Model wird dabei kleiner und / oder schwächer erscheinen.
Fotografiert man hingegen auf Augenhöhe gibt man dem Betrachter den Eindruck, als ob er das Model persönlich treffen würde (Normalperspektive). Da man so jeden Tag viele Menschen sieht, können die ersten beiden Varianten wesentlich spannender wirken. In der Fotografie willst du Menschen gerade so zeigen, wie man sie vielleicht im täglichen Leben nicht wahrnehmen würde.
Hinweis: Ich meine bei diesen speziellen Perspektiven nicht immer nur die beiden Extreme, dass ich die Kamera nur einen Zentimeter über dem Boden halte oder mir eine fünf Meter hohe Leiter besorge. Schon leichte Veränderungen gegenüber der Normalperspektive sorgen für mehr Räumlichkeit. Dazu zählt z.B. schon das Fotografieren aus Hüfthöhe oder mit gestreckten Armen über dem Kopf.
Beachte dabei aber wie gesagt genau die Wirkung der Nase. Martin Krolop erklärt das auch gut in diesem Video, dass du natürlich nicht übertreiben solltest:
Räumliche Wirkung oder flache Erscheinung?
Nicht nur das Model selbst wirkt in jedem Winkel komplett unterschiedlich. Als nächstes hast du auch die Wahl, ob die Kulisse um das Model herum räumlich oder einfach nur flach wirken soll. Nehmen wir das Beispiel, dass das Model vor einer grauen Betonwand steht. Fotografierst du nun das Model vor der Wand im rechten Winkel, so erscheint die Wand einfach nur als flache graue Fläche.
Gehst du hingegen ein paar Schritte zur Seite und fotografierst das Model in einem schrägen Winkel, wirken die schrägen Linien (wie hier auf dem Boden) mehr Dynamik. So wird im Bild auch durch den Verlauf der Tiefenschärfe ins Unschärfe eine Räumlichkeit sichtbar. Dadurch kann das Bild lebendiger wirken. Bei der vorherigen Situation im rechten Winkel entsteht nur eine einheitliche Unschärfe über der grauen Fläche.
Vorher: Kamera im rechten Winkel – Nachher: Kamera von schrägem Winkel
Wie du durch geringe Tiefenschärfe eine erhöhte Unschärfe im Hintergrund erzeugen kannst, habe ich dir auch schon im Beitrag Wie du Tiefenschärfe auch ohne Blende kontrollierst und lebendig einsetzt gezeigt.
Will man besonders viel räumliche Tiefe erzeugen, so empfiehlt es sich oft nach Fluchtpunkten Ausschau zu halten. Diese findet man immer bei Parallelen Linien, wie z.B. Straßen, Wegen und viele weiteren. Diese Laufen allmählich in der Ferne in einem Punkt zusammen und können so als perspektivischer Indikator für Bildtiefe benutzt werden.
Regel Nr. 2: Was passiert im Hintergrund?
Diese Regel ist eine der wichtigsten, da sie sich direkt auf die Bildgestaltung auswirkt. Die Wahl der Perspektive bietet die Möglichkeit den Hintergrund aktiv zu gestalten. Du solltest dabei immer ein Auge auf dem Model im Vordergrund haben, gleichzeitig aber auch auf störende Elemente im Hintergrund achten.
Achte immer zur Hälfte auch auf den Hintergrund.
Achte vor allem darauf, falls zufällig störende Linien den Kopf des Models kreuzen sollten. Oder falls einmal ein Baum oder andere Dinge aus dem Kopf des Models sprießen. Sollte das passieren, musst du wohl deine eigene Position ändern. Experimentiere so lange, bis diese Störung im Hintergrund nicht mehr unsere Bildgestaltung verschlechtert.
Hier ein Vorher-Nachher wie man z.B. bewusst den Verlauf der Horizontlinie durch Heben oder Senken der Kamera beeinflussen kann:
Beim Nachher-Foto tangiert der Horizont nun den Kopf direkt, statt ihn zu schneiden. Oder man entscheidet sich dafür, ihn komplett über der Person verlaufen zu lassen – was die eleganteste Lösung darstellt:
Das mit dem Horizont ist aber nur ein Beispiel von vielen. Du schaust im Grunde ständig in den Hintergrund und vermeidest durch Drehen, Heben oder Senken der Kamera, dass dieser nicht vom Model ablenkt. Oder es in einer anderen Art und Weise auf seltsame Weise beeinträchtigt.
Falls nicht anders möglich ist diese zweite Regel sogar so wichtig, dass sie Regel Nr. 1 im Zweifelsfall überschreibt. Das musst du aber jeweils selbst für deine Art der Fotografie festlegen, worauf du die Priorität legst. Oftmals lässt ein Ort oder eine Aufnahmesituation kein völlig freies Handeln zu und man muss Kompromisse finden. Vor allem in der selbstständigen Berufsfotografie ist es ständig dein Job, solche Lösungen zu finden und für gelungene Fotos zu sorgen.
Natürlich kann man dieses Phänomen auch nutzen, um absichtlich die Person im Vordergrund mit einem Element im Hintergrund zu verbinden. Das kann Beispielsweise ein Lensflair sein, den man gezielt an einer Stelle im Bild platziert. Oder Bokehbälle, die dem Model im Vordergrund weiter schmeicheln.
Regel Nr. 3: Wie kann ich dem Model schmeicheln?
Auch wenn du tun und lassen kannst, was du willst – die Kameraperspektive sollte nicht nur dem gestalterischen Zweck (Bildkomposition und Bildwirkung) dienen. Letztendlich sollte in der Portraitfotografie am Ende immer auch die Person vor deiner Kamera gut aussehen.
Gefährlich wird es hier bei der Froschperspektive und der Anweisung, dass das Model in die Kamera blicken soll. Dann entsteht meistens ein Doppelkinn. Deshalb bietet es sich an, die Person bei Froschperspektive einfach in eine andere Richtung blicken zu lassen. Zum Beispiel aus dem Bild heraus. Dann wird das Doppelkinn automatisch entfernt.
Soll die Person dennoch in die Kamera schauen, empfiehlt es sich eine höhere Perspektive einzunehmen. Von hier aus ist es auch generell einfacher eine Person schlanker erscheinen zu lassen. Das kommt aber auch immer auf den jeweiligen Typ an.
Das individuelle Model spielt also ebenfalls eine große Rolle in der Wahl der Perspektive.
Das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen, wie das Model unvorteilhaft aussehen kann.
Regel Nr. 4: Sei experimentierfreudig
Du bist also nicht der gemeine Tourist und hast auch die Energie, Zeit und Motivation zum Experimentieren. Als kleinen Trick kannst du dich zur Selbstkontrolle fragen:
Wie würden wohl die meisten Fotografen oder Touristen in dieser Situation fotografieren?
Falls du dich dann ertappst, dass du selbst auch nichts anderes machst, ist es Zeit zu handeln. Und hierbei hilft es nur alle Möglichkeiten auszuprobieren. Probieren geht über Studieren.
Bewege dich in diesem Fall nach rechts und links, schwenke, ducke dich, suche Möglichkeiten deinen Standpunkt zu erhöhen. Die Möglichkeiten sind endlos.
Tipp: Benutze das Klappdisplay deiner Kamera. So kannst du einfacher tiefe Perspektiven einnehmen oder über Kopf fotografieren.
Fazit: Die wichtigsten Fotoperspektiven
Um die richtigen Fotografie Perspektiven zu finden hat man viele Freiheiten und gerade das macht es schwierig. Überlege dir also zunächst, welche Bildwirkung du erzielen willst. Anschließend überprüfst du, ob du so auch den Hintergrund in Einklang bringen kannst.
Prüfe dann kritisch, ob dabei auch das Model vorteilhaft aussieht und experimentiere in unkonventionellen Blickwinkeln. Zusammenfassend noch einmal die grundlegenden Fotoperspektiven:
- Froschperspektive: Durch einen niedrigen Standort erscheint das Model und Umgebung imposanter, teilweise episch. Gefahr zum Doppelkinn besteht.
- Vogelperspektive: Ein erhöhter Standort gibt dem Bildbetrachter einen Überblick über die Kulisse. Auch kann das Model räumlicher wirken.
- Normalperspektive: Eine Aufnahme auf Augenhöhe, die dem Betrachter ein gewohntes Bild der Person vermitteln kann.
- Zentralperspektive: Begriff aus der Bildgestaltung, bei dem das Model genau mittig im Bild platziert wird.
- Fluchtpunkt Perspektive: Das in Szene setzen eines Fluchtpunktes kann das Bild räumlicher wirken lassen.
Wie schon angedeutet hängt Perspektive sehr eng mit dem Thema Bildgestaltung und Fotografie Komposition zusammen. Durch den Blickwinkel wird vor allem die Bildgestaltung direkt mitbestimmt, dennoch ist sie in Bezug auf den Bildanschnitt nicht das selbe. Der Bildanschnitt bezieht sich eher darauf, wo man die Kulisse anschneidet und in welcher Größe sie abgebildet wird.
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Hallo Markus,
ein sehr informativer Beitrag und auch ich bin auf deinem Blog sehr oft zu Gast.
In Bild 1 zu diesem Beitrag verstößt du allerdings auch gegen die Regel ‘unterm Knie schneide nie’ (ja, ich habe auch in deinem Buch die “Outdoor Portraits sehen” studiert ;-). Das Bild ist trotzdem sehr harmonisch und gefällt mir. Ist diese Regel, wie vielleicht auch andere, also doch nicht in Stein gemeißelt?
Beste Grüße.
Roland
Servus Roland,
ich wusste dass mich eines Tages mal jemand erwischt – Mist! :-D Ja die Regeln sind keine Gesetze sondern meistens eher gut gemeinte Ratschläge. Wie man sieht kann es auch anders funktionieren. Trotzdem möchte ich noch anmerken, dass der Beitrag schon etwas älter ist. Ob ich das Bild heute genau so wieder aufnehmen würde, weiß ich nicht :-)
Viele Grüße,
Markus
Tolle Bilder! Immer wieder eine Inspiration, ich mag auch die schnörkellosen Beschreibungen zur Bildwirkung sowie die vorher/nachher Schieberegler. Damit kann man etwas anfangen.
Coole Bildlooks obendrein.
Dein Fotoblog gehört übrigens zu meinen Favoriten :-).
Viele Grüße!
Kati
Hi Kati,
danke für die netten Worte – freut mich wirklich das zu lesen! :-)
Viele Grüße,
Markus