Du hast dein Model an Ort und Stelle, das Licht passt und die Kamera ist eingestellt. Bevor der Auslöser nun endlich gedrückt werden kann, fehlt noch etwas sehr wichtiges: Die Bildkomposition. Die Bildgestaltung entscheidet maßgeblich darüber, ob das Foto gleich gelingen wird oder nicht. Wenn das Model panisch zwischen zwei Seiten des Fotos klemmt, am Rand verkümmert oder so klein abgebildet ist, dass man es kaum noch sieht war auch die ganze Vorarbeit umsonst.

Oftmals kämpfen wir alle damit, das Model nicht irgendwie in das Rechteck des Suchers zu quetschen. Doch mit ein paar einfachen Regeln bzw. Tipps, die ich in diesem Beitrag vorstelle, dürfte die nächste Bildkomposition ein Kinderspiel werden.
Sehen wir uns das nun einmal näher an.
Inhaltsverzeichnis
1. Bildgestaltung: Sieh in Formen
Im Grunde macht man als Fotograf nichts anderes als ein Grafikdesigner auf einem Blatt Papier: Man ordnet Elemente bzw. Formen so an, dass es am Ende gut bzw. harmonisch aussieht. Nur dass wir als Fotografen nicht direkt (Vektor-)Formen vorliegen haben, sondern diese erst in der Szene erkennen müssen.
In unserer Umgebung gibt es überall Formen: Kreise, Quadrate, Rechtecke, Linien, Muster etc. Oft fallen diese Dinge auch erst auf, wenn man sie bereits einmal fotografiert hat. Aber auch dann ist es nicht zu spät, sofern sie dann auf dem Vorschaubild der Kamera erkannt werden.
Notfalls hilft es, die Augen zusammenzukneifen.
Richtig, um Formen und Anordnungen besser sehen zu können hilft es oft, die Augen zusammenzukneifen, um nur noch schemenhaft zu sehen. Dann werden Formen deutlicher sichtbar. Analysiere nun alle Formen auf dem Foto und wie sie zueinander stehen.
Ziehe in den Beispielen einfach am Regler um zu erkennen, welche Formen sich im Bild finden lassen:
Wie genau man sie anordnet, dazu kommen wir gleich. Nun noch ein paar Beispiele, wo und wie auf einem Foto Formen auftreten können:
2. Drei bewährte Gestaltungsmöglichkeiten zur Bildkomposition
Du hast nun analysiert, welche Formen überhaupt auf dem Foto vorkommen. Bevor wir gleich noch dazu kommen, was du mit erkannten Formen im Foto auf keinen Fall machen solltest, sehen wir uns drei der besten Anordnungsmöglichkeiten an. An diesen richtest du zuerst dein Model aus, anschließend probierst du noch die Elemente harmonisch anzuordnen.
Tipp: Du findest diese Gestaltungsvorlagen auch direkt in Lightroom, um sie beim Zuschneiden über dein Bild legen zu können. Dafür wählst du die gewünschte Vorlage unter „Werkzeuge“ -> „Freistellungsüberlagerung“ aus.
Auf den folgenden Rastern ordnest du in erster Linie markante Stellen wie die Augen des Models an. Oft liegt der Schnitt aber auch in der Mitte des Gesichts. Das ist von Bild zu Bild unterschiedlich. Im nächsten Schritt probierst du, weitere Elemente auf die Linien zu legen. Das Model ist jedoch zunächst am wichtigsten.
Tipp: Vor allem die scharf abgebildeten Stellen des Models (bei Nahaufnahmen z.B. das scharfe Auge) sollten hier zur Komposition auf den Linien berücksichtigt werden.
Goldener Schnitt in der Fotografie
Du hast das Wort „Goldener Schnitt“ schon 500 mal gehört? Gut so – denn es ist wirklich mit die beste und gleichzeitig einfachste Möglichkeit zur Bildgestaltung. Sie basiert ähnlich wie die Drittelregel auf 2 Linien, die jeweils horizontal und vertikal durch Bild laufen. Doch es sind keine gleichmäßigen Drittel. Platziert man seine Hauptobjekte und Formen auf diesen Linien, erscheint die Bildgestaltung meist automatisch im Einklang.
Ich will jetzt nicht mit mathematischen Herangehensweisen nerven, worüber man den Ursprung herleiten kann. Gesagt sei nur, dass sie direkt mit der Fibonacci Spirale (in Lightroom auch „Goldene Spirale“) zusammenhängt. Das Foto wird dabei grob gesagt im Verhältnis bei 62% und 38% jeweils mit einer Linie markiert.
Praktisch sieht das dann wie folgt aus:


Komposition nach Drittel Regel
Bei der Drittelregel hingegen wird das Bild in 9 gleich große Stücke aufgeteilt – genaue Drittel eben. Sowohl horizontal als auch vertikal. Auch bei dieser Möglichkeit wirkt die Anordnung der Bildkomposition, indem wichtige Elemente auf den besagten Linien zu liegen kommen. Viele Kameras haben auch die Möglichkeit, zumindest die Drittelregel beim Fotografieren einzublenden.
Bei der Nachbearbeitung findest du die Drittel ebenfalls als Lightroom-Overlay beim Zuschneiden. Allgemein entscheidest du dich im Optimalfall direkt beim Fotografieren für eine Aufteilung – andernfalls kann man es im Nachhinein oft auch noch etwas korrigieren.
Bei diesen Fotos wurde nach der Drittelregel gearbeitet:


Zentralperspektive / Mittelachse
Aktuell auch besonders beliebt ist die Zentralperspektive. Es ist eine sehr einfache Form der Bildgestaltung, die dadurch schon wieder gut wirkt. Eine entscheidende Rolle spielt dadurch auch der Winkel, in dem fotografiert wird (leicht von unten, extrem von oben, etc.).
Im Grunde machst du hierbei überspitzt gesagt das, was man erst immer vermeiden wollte: Das Model „einfach“ genau in die Mitte stellen und abdrücken. Doch ganz so simpel ist es oft auch nicht.
Denn nur horizontal will man sich hier an der Mitte orientieren. Eine richtige Höhe, auf der dann der Kopf bzw. die Augen angeordnet werden, muss man selbst finden. Oder man orientiert sich hier grob in der Höhe an der Drittel Regel oder dem Goldenen Schnitt.
Vor allem wenn man einen interessanten perspektivischen Effekt zusammen mit der restlichen Location erzielen will, wird die Zentralperspektive gerne angewendet. Mehr dazu folgt unter einer anderen Überschrift.
Beispiele:



3. Achte auf den Hintergrund
Du weißt nun, dass du in Formen sehen sollst und wo du diese zusammen mit deinem Model im Foto anordnest. Jetzt möchte ich darauf eingehen, wo du die erkannten Formen im Foto besser NICHT anordnen solltest – dafür zeige ich gleich ein paar Negativbeispiele.
Vorallem bei harten / dicken Linien ist äußerste Vorsicht geboten – diese verstecken sich oft im Hintergrund und schneiden deinem Model buchstäblich etwas ab. Das muss nicht immer überdramatisiert werden, oft sieht man sowas aber erst nachher am Rechner.
Solche Linien werden oft gebildet durch:
- Bordsteine
- Geländer
- Horizont
- Kabel
- Äste und Bäume
- usw.
Man probiert also oft zu vermeiden, dass solche „schweren“ Linien das Model kreuzen. Doch nicht nur schneiden können solche Elemente das Model. Auch können sie es unvorteilhaft erweitern. Oft wächst dann z.B. ein Baum aus dem Kopf des Models oder Blätter aus der Nase. Durch vorteilhafte Winkel kann man so etwas meistens leicht entschärfen.
Nun ein paar Beispiele:


Am Ende muss man selbst entscheiden, ob man das Bild trotz einer solchen möglichen übersehenen „Panne“ zeigen will – wenn man es selbst ansonsten gelungen findet, warum nicht. Und was heißt Panne – oft geht es sogar gar nicht anders. Dann nehme ich das Foto dennoch lieber mit. Wenn es gar nicht geht kann man so etwas auch noch mit Photoshop entfernen.
Einfacher und zeiteffizienter ist es aber immer, schon beim Fotografieren auf den Hintergrund zu achten und sich vor den oben genannten Fallen zu hüten. Wenn sich eine kreuzende Linie nicht vermeiden lässt, probiere sie mit dem effektiven Einsatz von Tiefenunschärfe weitestgehend abzuschwächen.
Ergänzung: Wenn schwere Linien das Model kreuzen, sollte man sich zumindest bewusst sein wo das passiert und es dann absichtlich so umsetzen.
4. Die richtige Perspektive finden
Du als Fotograf kannst dich frei durch die Kulisse bewegen (zumindest meistens). Nutze diese Fähigkeit zum Experimentieren und Herausfinden neuer Blickwinkel und Perspektiven. Oft hilft es auch sich vorzustellen, wie wohl 90% der anderen Fotografen dieses Foto machen würden. Dann kannst du überlegen, was du anders machst.
Fotografiere also nicht immer nur auf Augenhöhe, sondern auch mal von unten oder über Kopf.
Noch viel wichtiger ist es aber, für spezielle Blickwinkel auch Ausschau nach Fluchtpunkten zu halten. Diese werden oft durch die eben angesprochenen Linien deutlich – nur dass man sie hier dann absichtlich einsetzt um Perspektive und räumliche Tiefe zu verdeutlichen.
Dadurch kann neben dem bewussten Einsatz von Tiefenunschärfe eine zusätzliche räumliche Wirkung auf dem Foto erzielt werden.
Gerne werden solche Gegebenheiten dann als Foto mit Symmetrie festgehalten. Eine Zentralperspektive kann so eine komplett neue Wirkung entfalten.

Hilfreich bei der ganzen Perspektiven Geschichte ist daher ein Klappdisplay, wie ich es auch mit meiner Fujifilm X-T2 Kamera benutze.
Weitere Hilfestellung zum Thema Perspektive finden findest du in meinem Beitrag über 4 Regeln für den besten Fotografie Blickwinkel.
5. Die beste Abbildungsgröße
Wie groß willst du dein Model überhaupt abbilden? Und wie nah musst du dafür herantreten? Das ist natürlich je nach gewählter Brennweite unterschiedlich. Wichtig um das Bild aus deinem Kopf gleich umzusetzen ist es, dass du weißt wie groß das Model gleich überhaupt abgebildet werden soll.
Damit geht natürlich auch das Thema der Wichtigkeit bzw. Rollenverteilung auf dem Bild einher:
Je nachdem, was du groß abbildest wird in diesem Moment wichtiger als Dinge, die klein abgebildet oder kaum sichtbar sind.
Kurzer Hinweis in eigener Sache: Nützliche Blog Beiträge wie dieser leben alleine von etwas Werbung. Mit meinen Presets verbesserst du also nicht nur deine Nachbearbeitung, sondern unterstützt gleichzeitig den Blog:
Wie auch im Blog Beitrag über die kreative Positionierung des Models in der Location schon beschrieben geht es also hauptsächlich darum, wie viel Raum man auf dem Bild der Kulisse und wie viel dem Model gibt. Ist die Location riesig abgebildet mit einer kleinen Person darauf, geht es in Richtung Landschaftsfotografie. Bei einer Ganzkörperaufnahme könnte es neben der Umgebung auch um das Outfit des Models gehen. Bei großer Abbildung des Gesichts geht es hauptsächlich um den Ausdruck des Models.

Sei dir also bewusst, wie groß du das Model abbilden willst.
6. Framing: Der Rahmen deines Fotos
Immer wenn du mit der Kamera ein Foto machst, zeigt man nur den Ausschnitt der Umgebung, um den es gehen soll. Beim Porträt in erster Linie also um die Person. Die restliche Umgebung wird „ausgeblendet“. Damit einher geht natürlich die Frage:
Wo schneidet man das Model oder die Umgebung ab?
Was nimmt man mit auf das Foto und was nicht? Und wo lässt man die Seiten des Fotos die Szene beschneiden?

Hier kommt man wieder zurück auf die Gestaltungsregeln von Punkt zwei. Man überlässt es z.B. auch dem Goldenen Schnitt, wo man seinen „Cut“ macht. Wichtig ist auch wieder der Hintergrund: Man will kleine Blitzer vermeiden oder Objekte, die versehentlich ins Bild hängen könnten.
Kurz gesagt: Mach es immer so, dass es wie Absicht aussieht.
Natürlich kann ein Objekt ins Bild hängen – wenn dann aber absichtlich und mit mehr Platz. So kannst du vermeiden, dass es aussieht wie ein unabsichtlicher Blitzer. (Erläuterung: Blitzer werden ursprünglich Fehler bei Druckproduktionen genannt, bei denen ein Hintergrund am Seitenrand nicht das komplette Papierweiß verdeckt. Dort ist dann ungewollt ein milimeter dicker weißer „Blitzer“ zu sehen.)
Wo schneidet man nun aber das Model an? Die Antwort: Möglichst vorteilhaft und so, dass es lebendig aussieht. Dafür wählt man generell die Schnittpunkte zwischen den Gelenken. Wenn Personen direkt an Gelenken abgeschnitten werden, kann das Gehirn z.B. den Arm oder die Beine nicht so gut weiter „vervollständigen“, wie wenn der Schnitt dazwischen gewählt wird.
Das Gehirn führt generell immer Linien aus dem Bildbereich weiter, in dem Winkel in dem sie es verlassen. So sollte man auch beim Posen darauf achten, dass z.B. die Beine nach unten hin schlanker werden und nicht auseinander gehen. Mehr dazu auch im Beitrag Portrait Posen: 5 Posing Tipps für ungestellte Fotos.
7. Lerne die Regeln um sie dann zu brechen
Diese „Regeln“ sind natürlich nicht zwingend verpflichtend. Im Grunde ist jedes Foto individuell und viele funktionieren auch ohne diese Regeln. Sieh diese Regeln also mehr als Tipps und Tricks um sich einer Bildgestaltung anzunähern.
Es muss also nicht immer ein Schnitt genau im Drittel oder Goldenen Schnitt sein. Auch mit einer anderen Anordnung kann es funktionieren, manchmal sogar noch besser. Wichtig ist nur, dass du erst einmal auf die vorgestellten bewährten Methoden zurückgreifst. Wenn du sie verinnerlicht hast, wird es dir selbst leichter fallen dein Bild spannend aufzubauen.
Bei jedem Foto gelten andere Spielregeln.

Dafür ist es wichtig, dass du immer wieder raus gehst und ausprobierst. Und auch von einem Motiv lassen sich schnell die verschiedensten Bildkompositionen nacheinander festhalten. Im Nachhinein kann man dann in Ruhe entscheiden, welche Komposition hier am besten funktioniert.
All diese Techniken und noch viele mehr findest du übrigens zusammen mit einer übersichtlichen Checkliste zum Ausdrucken in meinem E-Book „Die Available Light Fibel“. Diese will ich dir an dieser Stelle in Eigenwerbung empfehlen, da ich hier nicht nur meine Gestaltungsmethoden sondern meine komplette Herangehensweise an kreative Outdoor Portraits beschreibe.
Ansonsten hoffe ich, dass ich diese Technik der Portraitfotografie nachvollziehbar für dich aufbereiten konnte und du schon bald deine Fotos durch eine ansprechende Komposition weiter verbessern wirst.
Hallo Markus,
danke, für den ausführlichen Artikel. Es ist schön in der Fotografie immer wieder dazuzulernen. Deine Tipps geben einem kleinen Stubs, gerade dann wenn ich das Gefühl habe nicht weiterzukommen. Wie im Sport sind Plateau-Ebenen manchmal sehr nervig. Dank Dir!
Viele Grüße
André
Hi André,
danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass ich dich etwas motivieren bzw. anstubsen konnte!
Gruß,
Markus
Wow, ich fotografiere ja schon eine Weile, studiere immer wieder Bilder der Klassiker (gerade hinsichtlich der Komposition, der Gewichtung des Inhalts etc.), alte wie moderne, aber hier wird es wirklich einmal simpel und weniger vertrackt wie anschaulich erklärt. Gut auch die Negativbeispiele, ebenso wie das hin- und herschieben vorher/nachher, das sichtbar machen der Geometrie.
Dankeschön! So macht das Spass :).
lg Katie
Hallo Katie!
Danke für deine Rückmeldung – freut mich, dass das ganze am Ende doch nachvollziehbar ist und weiterhelfen konnte.
Gruß,
Markus
Einfach nur der Hammer!
Nicht zu lang und auch nicht zu kurz, alles genau einfach und verständlich auf den Punkt gebracht. Danke für den klasse Beitrag, konnte kaum aufhören beim Mitschreiben/Notizen machen.
Endlich Mal Beiträge die beim Lesen nicht langweilen und vom Thema abschweifen!
Danke, danke, danke Markus!
Hi Manuel,
danke für dein positives Feedback! Freut mich dass der Beitrag weiterhelfen konnte :-)
Gruß,
Markus